Heimatglocken - Markvippach 1916-04

Post date: Aug 6, 2014 9:14:08 AM

Quelle: Manfred Schiller, Schloßvippach

Als der März zu Ende ging, ist das Frühjahr mit Macht bei uns eingezogen. Wenn auch die Nächte noch kalt sind und Morgens zumeist schwacher Reif auf der Erde liegt, tagsüber ist prächtiger Sonnenschein. Nach reichlichen Niederschlägen, die das letzte Drittel des März zum Teil in Gestalt von Schnee noch brachte, steht die Wintersaat in saftigstem Grün und hat sich schon recht gut entwickelt. Ueber Auswinterung gibt es keine Klagen. Die Bestellung der Äcker ist in vollem Gange und geht rüstig vorwärts, da auffrischende Ostwinde den Boden schnell trocken gemacht haben. Ueberall herrscht vom Morgen bis Abend reges Leben, denn bei dem Mangel an Arbeitskräften muß jede Stunde benutzt werden. Und wer die Arbeit nicht mehr allein schaffen konnte, hat sich einen Russen aus dem Erfurter Gefangenenlager geholt, einen sogenannten „Gesindegefangenen“, den er zu beköstigen, aber auch in Wohnung hat, wie es Berthold Kästner, Ernst Klee, Elise Hirschfeld, Oskar Kühn und Friedrich Hoffmann getan haben. – Am Abend des 17. März kam die Gemeinde zu einem Familienabend zusammen, in dessen erstem Teil ich über unsre 4. Kriegsanleihe redete, dessen zweiten Teil Pfarrer Auffarth durch Vorführung recht ansprechender Lichtbilder von den einstigen Kriegsschauplätzen in Ostpreußen und Galizien und von der Gefechtsfront Ifenzo=Tirol ausfüllte. Der Frauenverein kam am 5., 12. und 26. März zu Unterhaltungsabenden zusammen. Er hatte die Freude, am 27. März eine Sendung von 26 Kopfkissen ans Rote Kreuz nach Weimar abgehen lassen zu können, und veranstaltete am letzten März eine Liebesgabensammlung, die große Mengen Asch- und andere Kuchen, 384 Eier, 30 Pfund Wurst, Speck und Butter, 400 Zigarren und Zigaretten, Käse, Gemüse, Wein, Himbeersaft und Eingemachtes ergab. Auch diese Sammlung soll den Lazaretten Weimars überwiesen werden, um den vielen Verwundeten, die von Verdun in den letzten Wochen dahin gekommen sind, eine Freude und Erquickung zu bereiten. – Aus den Familien ist über mancherlei Freudvolles und Leidvolles zu berichten. Der Gefreite Theodor Töpfer, dessen Schwester in Bachstedt wohnt, der aber auch von früher her in Markvippach bekannt ist, wurde, geschmückt mit dem Eisernen Kreuz und der Verdienstmedaille mit Schwertern, am 19. März mit Marie Luise geb. Schulze aus Northeim getraut. Oskar Kühn konnte mit seiner Ehefrau Lina geb. Ritter am 16. März seine silberne Hochzeit feiern. Möge hier und dort Glück und Gottes Segen im Hause sein! Dem Tage der Konfirmation sehen entgegen: Anna Sachse, Hulda Härter, Hedwig Angermann, Elisabeth Hoppe, Hulda Hagedorn, Marta Zeuner und Willi Ruppe aus Bachstedt. – Leider haben sich die Hoffnungen auf Genesung von Hildchen Bauer nicht erfüllt; am 15. März ist sie im Krankenhaus in Erfurt sanft entschlafen und am 18. März mittags auf dem hiesigen Friedhof beigesetzt worden. Traurige Botschaft ist auch aus dem Felde gekommen. Alle Angehörigen des 94. Res.=Regts., die aus unserm Orte stammen, sind in den Kämpfen bei Verdun verwundet worden, und befinden sich im Lazarett Leopold Giebner in Dornholzhausen b. Homburg, Otto Hirschfeld in Dessau, Hugo Walter, Josef Sarnowski, im Gesicht durch Granatsplitter verletzt, schon bald wieder felddienstfähig. Aber Alfred Salomon ist gefallen! Beim Abtransport von Gefangenen durch den Rabenwald am 14. März hat ihm 150 m hinter der Front ein französischer Volltreffer einen schnellen Tod gebracht. Tiefe Trauer herrscht um ihn, den trefflichen, lieben Menschen, in der Gemeinde, und die wärmste Teilnahme bringen alle seiner trauernden Witwe und den armen Eltern entgegen, die mit dem Gefallenen ihren dritten und letzten Sohn verloren haben. Die Trauerfeier, die am Abend des 30. März in hiesiger Kirche stattfand und auch den umliegenden Orten gut besucht war, gab von dieser Teilnahme beredtes Zeugnis. Mit Bedauern hören wir, dass auch ein andrer 94er, Theodor Boek, der früher lange Jahre auf dem Rittergute Markvippach Oberschweizer war, in denselben Kämpfen den Tod gefunden hat. Da ist es unser inniger Wunsch: Gott stehe uns bei, er schütze unsre lieben Krieger und auch uns in der Heimat !

Reuße.